Die BaFin hat im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FISG) Mystery Shopping als neues Aufsichtsinstrument eingeführt, um die Qualität der Anlageberatung bei Banken zu überprüfen. In einer ersten Pilotaktion wurden 36 Testkäufe durchgeführt, bei denen erhebliche Mängel festgestellt wurden, wie das Fehlen gesetzlich vorgeschriebener Informationsdokumente, was die BaFin veranlasst, künftig verstärkt auf die Einhaltung der Beratungsstandards zu achten und weitere Testkäufe in verschiedenen Finanzbereichen durchzuführen.
Als vor etwa einem halben Jahr das Finanzmarktstabilisierungsgesetz ( FISG ) in Kraft trat (siehe BaFinJournal Juni 2021), wurde Wirklichkeit, was viele Verbraucherschützer gefordert hatten: Die BaFin kann durch Mystery Shopping – also anonyme Testkäufe – unerkannt und aus unmittelbarer Nähe verfolgen, wie Unternehmen des Finanzsektors mit ihren Kundinnen und Kunden umgehen. Beim Mystery Shopping treten geschulte Testkäuferinnen und Testkäufer inkognito als Kunden bei Banken, Versicherern und anderen Finanzdienstleistern auf. Direkt nach Inkrafttreten des FISG hat die BaFin vier Mystery-Shopping-Agenturen für eine erste Pilotaktion unter Vertrag genommen. Die schickten ihre Tester in Bankfilialen, um dort stichprobenhaft an Anlageberatungsgesprächen teilzunehmen. Primäres Ziel der BaFin war, zügig Erfahrungen mit dem neuen Aufsichtsinstrument zu sammeln. Für repräsentative aufsichtliche Schlussfolgerungen war die Stichprobe (siehe Infokasten) mit insgesamt 36 Testkäufen auch zu klein. Aber der Pilot bot einen ersten direkten und authentischen Blick auf die Marktrealität – anders als bei Beschwerden von Verbrauchern, Prüfungsberichten oder Besuchen vor Ort, wo sich die Aufseher zu erkennen geben. Die BaFin hatte für ihren Mystery-Shopping-Piloten drei Testkundenprofile aus unterschiedlichen Altersgruppen vorgegeben: Jugendliche, Erwachsene sowie Seniorinnen und Senioren. Die von der Aufsicht beauftragten Agenturen prüften insgesamt zwölf Banken (je vier Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken) im gesamten Bundesgebiet – und zwar jeweils mit allen drei Testkundenprofilen. Insgesamt gab es damit 36 Testkäufe, zwölf in jedem Testkundenprofil. Dieser erste Blick fiel ernüchternd aus (siehe Abbildung 1 Resultate Mystery Shopping). „Die Fehlerquote war auf den ersten Blick auffällig: In zwölf von 36 Beratungsgesprächen – also in jedem dritten – wurden wichtige Informationsdokumente nicht übergeben“, resümiert Christian Bock, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz und zugleich Verbraucherschutzbeauftragter der BaFin . In fünf Fällen habe die Geeignetheitserklärung gefehlt, in vier Fällen seien keine Kosteninformationen ausgehändigt worden. Bei weiteren drei Testkäufen hätten sogar beide Dokumente gefehlt, und das, obwohl beide gesetzlich vorgeschrieben seien (siehe Infokasten). Seit Anfang 2018 erhalten Privatkundinnen und -kunden im Anschluss an eine Anlageberatung eine Geeignetheitserklärung. Dazu sind Banken und Finanzdienstleistungsinstitute aufgrund der zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II) und des deutschen Umsetzungsgesetzes (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG, siehe BaFinJournal September 2018) verpflichtet. In der Erklärung müssen Banken schriftlich darstellen, weshalb die ausgesprochene Empfehlung – beispielsweise ein Finanzinstrument zu kaufen oder zu verkaufen – zu dem jeweiligen Kunden passt, also für ihn geeignet ist. Auch die Vorab- oder Ex-ante-Kosteninformation ist ein Kind der MiFID II bzw. des 2. FiMaNoG. Sie muss Kundinnen und Kunden seit Anfang 2018 ausgehändigt werden, Institute müssen darin über alle Kosten und Nebenkosten im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen und dem jeweiligen Finanzinstrument informieren (siehe BaFinJournal Juli 2018 ). Abbildung 1: Resultate Mystery Shopping © BaFin © BaFin Mängel traten bei fast allen getesteten Banken und allen vorgegebenen Kundenprofilen auf (siehe Infokasten Zusammensetzung der Stichprobe) – vor allem beim Testkundenprofil „Seniorinnen und Senioren“ (siehe Abbildung 2 Resultate nach Altersgruppen). Hier gab es in der Hälfte aller Anlageberatungen Beanstandungen, in den beiden Profilen „Jugendliche“ und „Berufstätige“ dagegen nur in jeweils einem Viertel der Beratungen. „In den höheren Altersgruppen kommen verschiedene Einzelrisiken zusammen, das macht Ältere zu einer besonders verwundbaren Kundengruppe. Eine Häufung von Auffälligkeiten war also zu befürchten – und die Daten bestätigen das“, erklärt Bock. Abbildung 2: Resultate nach Altersgruppen © BaFin © BaFin Daneben gab es weitere Defizite: Unter anderem wurden Kundenangaben nicht immer zutreffend aufgenommen, möglichweise um eine bestimmte Empfehlung aussprechen zu können, die zu den Angaben nicht gepasst hätte. Auch wenn die Stichproben des Mystery-Shopping-Piloten nicht repräsentativ waren: Die BaFin nimmt die Resultate sehr ernst. Christian Bock: „Die Daten erlauben zwar keine Rückschlüsse auf den Gesamtmarkt, sind für mich aber ein klares Zeichen dafür, dass wir künftig bei der Anlageberatung noch genauer hinsehen müssen.“ In den kommenden Monaten und Jahren werde es deshalb darauf ankommen, den ersten Eindruck durch weitere Mystery-Shopping-Einsätze zu überprüfen. Die im Pilotprojekt auffällig gewordenen Institute spricht die BaFin direkt an und konfrontiert sie mit den Feststellungen. Neben Resultaten der ersten Testkäufe konnte die BaFin auch Einblicke in den Markt für Mystery-Shopping-Dienstleistungen gewinnen und erste Erfahrungen mit der Konzeption und Umsetzung von verdeckten Testkäufen sammeln. Ihre Erkenntnisse fließen in die Suche nach einer Partneragentur ein, mit der die Aufsicht in den nächsten Jahren zusammenarbeiten will. Die Ausschreibung dafür soll Anfang 2022 veröffentlicht werden. Während im Piloten nur die Anlageberatung geprüft wurde, wird die BaFin ihren Fokus künftig deutlich ausweiten. Bock hat die wichtigsten Verbrauchermärkte im Blick: „Wir planen jährlich mehrere Hundert Testkäufe in allen Aufsichtsbereichen: Von Versicherungen über Bankprodukte wie Konto und Kredit bis hin zu Wertpapieren und Zertifikaten – bei all diesen Angeboten stellen sich Fragen, denen wir unter anderem mit Mystery Shopping nachgehen wollen.“ Etwa der Frage der Restschuldversicherung, die 2022 Gegenstand von Mystery Shopping sein wird. Die bisherigen Marktuntersuchungen der BaFin erwecken den Eindruck, dass Kundinnen und Kunden nicht immer bewusst war, dass sie diese Art von Versicherung bei der Vergabe eines Kredits zwar abschließen können, aber nicht müssen. Aber auch andere Fragen – beispielsweise zu den Themenkomplexen Digitalisierung und Nachhaltigkeit – sollen mit anonymen Testkäufen untersucht werden. Schon 2019 haben die europäischen Aufsichtsbehörden EBA , ESMA und EIOPA den gesetzlichen Auftrag erhalten, Mystery-Shopping-Aktivitäten der Mitgliedstaaten zu koordinieren. An diesen Arbeiten beteiligt sich die BaFin . Dabei bringt sie eigene Erfahrungen ein und profitiert zugleich vom Erfahrungsaustausch mit anderen europäischen Aufseherinnen und Aufsehern. Pawel Grischuk Referat VBS 15 Aktives Marktmonitoring, Mystery Shopping Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.